Wir setzen uns ein: Familien brauchen kreative Lösungen – Kinder brauchen andere Kinder!

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Wir befürworten eine vorsichtige, schrittweise Wiedereröffnung der Kitas. Es geht um das Wohl von Eltern und Kindern, denn Familien sind immer systemrelevant!

Seit in der vergangenen Woche die ersten vorsichtigen Lockerungen des Lockdowns beschlossen wurden, haben Schülerinnen und Schüler – und auch ihre Eltern – endlich eine Perspektive, wann wieder vorsichtige Schritte in einen (sicherlich neuen) Alltag zu erwarten sind – natürlich immer abhängig vom Infektionsgeschehen. Diese Perspektive fehlt Eltern von Kitakindern: Vorläufig ist noch keine Wiederöffnung der Kitas vor den Sommerferien in Sicht – an einem Konzept arbeiten gerade die Länder zusammen mit dem Bundesfamilienministerium.

Wir können Eltern gut verstehen, die das verzweifeln lässt: Eltern mit Jobs in so genannten „nicht systemrelevanten“ Berufen wissen derzeit nicht, wie sie es über Wochen und Monate schaffen sollen, in Vollzeit oder fast in Vollzeit zu arbeiten (egal ob im Homeoffice oder am Arbeitsplatz) und gleichzeitig „nebenbei“ ihre Kinder zu Hause zu betreuen, zu ernähren, zu bilden, ihnen die Freunde zu ersetzen, und vor allem: ihre Laune hoch zu halten. Das betrifft insbesondere die Eltern von Kita-Kindern. Hinzu kommen finanzielle Sorgen und Existenzängste, die viele Familien belasten.

Die zentrale Voraussetzung für Eltern, in ihrem Beruf arbeiten zu können, sind die Kitas! Sie (und damit die Erzieherinnen und Erzieher) übernehmen die wichtigen Bildungs- und Versorgungsaufgabe, und bieten allen kleinen Kindern ein stabiles Umfeld für erste außerfamiliäre Sozialbeziehungen, Freundschaften zu anderen Kindern, Raum für körperliche Aktivität, konstante Bezugspersonen. Kitas sind Bildungsorte, damit alle Kleinen die besten Chancen bekommen, gut ins Leben zu starten und das soziale Miteinander zu lernen, denn Kitas bilden den Querschnitt der Gesellschaft ab. „Kein Kind zurücklassen“ gilt gerade hier.

Selbstverständlich spielt auch für uns Sozialdemokraten der Gesundheitsschutz für die Kinder und das Kita-Personal eine entscheidende Rolle in allen Überlegungen, die auf eine Lockerung der persönlichen Kontaktbeschränkungen orientieren.

Aber fast keiner der Expertenratschläge der letzten Wochen, in welcher Reihenfolge welche vorsichtigen Öffnungen vorgenommen werden können, thematisiert die Situation der Kinder. Wie wirkt sich die Lage auf Kinder aus – wochenlang rund um die Uhr mit den Eltern allein, ohne die Möglichkeit, Freunde zu treffen, mit Gleichaltrigen zu spielen oder bei Familienfrust Abstand zu suchen? Was bedeutet es auch für die Psyche von jungen Kindern, deren Persönlichkeit sich gerade erst entwickelt, die Außenwelt, also auch Freunde oder die Großeltern, als latent bedroht oder bedrohlich zu erleben?

Es darf nicht passieren, dass Kinder monatelang sozial isoliert werden! Kinder haben Rechte – neben dem Recht auf Bildung auch auf Spiel und Gleichheit. Im schlimmsten Fall wird uns noch Jahre beschäftigten was in diesen Wochen gesellschaftlich kaputt geht.

Wir stellen das Wohlergehen der Kinder in den Mittelpunkt unserer Politik. Neben den monetären Fragen geht es besonders um die Bildungs- und Teilhabeinfrastruktur, die dafür nötig ist. Es gibt in jeder Kita, bei jedem Träger viele Ressourcen, die jetzt eingesetzt werden könnten, wenn die Finanzierung gesichert ist – dafür brauchen wir ein umfangreiches Sofortprogramm Kita. Nur ein Beispiel: Musikpädagoginnen und Theaterpädagoginnen und -Pädagogen, denen derzeit die Aufträge fehlen, könnten tageweise im Wechsel mit den Erzieher*innen Angebote für die Kleingruppen machen.

Wichtig ist zuerst die Abfrage des tatsächlichen Bedarfs – gar nicht alle Eltern wollen ihre Kinder gerade in die Kita geben. Für viele Familien wären auch schicht- oder tageweiser Kita-Besuch und eine dort stattfindende Mahlzeit eine große Entlastung – und für die Kinder das Stück Alltag mit Gleichaltrigen, das sie derzeit schmerzlich vermissen.

Wenn Kitas nicht für alle Interessierten genügend Platz organisieren können, muss darüber nachgedacht werden, privat organisierte feste Kinderkleingruppen abwechselnd bei den Eltern zu Hause wieder zu erlauben – analog zu den Gruppen in der Kita. Ihnen könnte man zur Erleichterung exklusive Zeit auf einem Umgebungsspielplatz einräumen, bis die Spielplätze wieder für alle geöffnet werden – es gibt so viele gute Ideen, die derzeit in Elternforen, sozialen Netzwerken oder auch Parteigliederungen diskutiert werden. Jetzt sind wir alle gefragt!

Neben all diesen Ideen für die Kita-Wiederöffnung muss klar sein: In der Zeit, in der die Kinderbetreuung an die Kernfamilie zurückdelegiert wird, ist es notwendig, dass der Staat hier Arbeit und Einkommen absichernd unterstützt. Eine Idee dazu ist der Rechtsanspruch auf befristete Arbeitszeitreduzierung mit entsprechendem Kündigungsschutz und Einkommensersatz ähnlich zu Elternzeit/Elterngeld, bis die Kita schrittweise wieder im Normalbetrieb angekommen ist. Denn Familien sind systemrelevant – immer!